Der ganze Zauber der Farben- zwischen Mathematik, Regeln und Gefühlen
Wie kommt es, dass uns einige Farben besser gefallen als andere? Wie kommt es, dass wir sogar eine Lieblingsfarbe haben können. Fragt man sich da manchmal nicht, warum es dann konkrete Farb-Zuordnungen geben kann auf der Welt? Wer hat bestimmt, dass Rot ein Signal ist, vor allem, wer hat bestimmt, dass Rot die ultimative Farbe für „STOP“ oder das Auslösen von Desastern sein soll?
Manchmal stolpere ich über Beiträge über Farben in Präsentationen und deren psychologische Wirkung. Was Farben über uns sagen… klingt stellenweise sehr esoterisch, oder?
Was sind denn Farben überhaupt und was sollen wir in unserem Leben damit anstellen? Wikipedia spuckt dazu folgende schlaue Definition aus:
„Eine Farbe ist ein durch das Auge und Gehirn vermittelter Sinneseindruck, der durch Licht hervorgerufen wird, genauer durch die Wahrnehmung elektromagnetischer Strahlung der Wellenlänge zwischen 380 und 780 Nanometern. Es ist der Sinneseindruck, durch den sich zwei aneinandergrenzende, strukturlose Teile des Gesichtsfeldes bei einäugiger Beobachtung mit unbewegtem Auge allein unterscheiden lassen.[1]”
Hmmm… „elektromagnetische Strahlung einer Wellenlänge von 380 und 780 Nanometern…“. Bevor wir uns „sheepishly“ in die Mythen der Bedeutungen und Zuordnungen stürzen, starten wir mit der Logik. Farben haben also eine Frequenz. Schaut man sich Farben in Farbkarten an, haben diese sogar Zahlen. Schaut man sich Farben digital an, haben diese ebenfalls Zahlen. Es hätte aber auch schwer gewundert, wenn in einer Welt, in der alles in Einsen und Nullen beziffert werden kann, Farben von einer gewissen mathematischen Logik ausgeschlossen gewesen wären.
Übersetzt heißt das, dass Farben eine Ansammlung von bestimmten Helligkeitsanteilen sind, die in einer konkreten Zusammensetzung durch eine bestimmte Wellenlänge einen definierbaren „Ton“ ergeben. Sehr geil, job done. Das heißt ja, dass faktisch jede Farbe eindeutig bestimmbar ist. Richtig? Nicht richtig!
Werfen wir einen Blick auf dieses Bild hier:
Ganz ehrlich, ich kann verstehen, dass hierbei Streitigkeiten vom Zaun gebrochen wurden und Paare sich getrennt haben. Aber wie kann man auch das gleiche empfinden, wenn man noch nicht einmal die gleiche Farbe sieht? Aber langsam … wir sind ja schon wieder weit von jeder Logik. Passiert -(shrug)-.
Aber Spaß beiseite:
Farben sind also sowohl digital, also auch analog mathematisch definierbar.
Für uns, die wir professionell im Digitalen arbeiten, spielt es deshalb eine große Rolle, wie wir Farben eindeutig und unverwechselbar definieren, speichern und teilen können. Stichwort: Consistency. Wie es so sein muss, gibt es natürlich mehrere Systeme:
RGB: Das vermutlich bekannteste System basiert auf dem RGB-Farbraum. Das macht auch von der physiologischen Seite unseres Auges Sinn, denn wir nehmen Farben durch drei verschiedene Zapfen-Typen im Auge wahr: S-Zapfen (S = Short) sind empfindlich für kürzere Wellenlängen zwischen 400-500 Nanometern, also ganz grob im blauen Bereich. M-Zapfen (M = Medium) decken den mittleren Wellenlängen-Bereich ab, also zwischen 450-630 Nanometern mit Absorptionsmaximum im grünen Bereich. Und L-Zapfen (L = Long) schließlich erlauben uns das Wahrnehmen von Licht im Wellenlängenbereich zwischen 500-700 Nanometern, womit der rote Bereich abgedeckt wird. Wir sehen also in RGB, indem die jeweiligen Wellenlängen-Anteile additiv vom Gehirn vermischt werden zu der Farbe, die wir letztlich „sehen“.
Der davon abgeleitete RGB-Farbraum funktioniert im Grunde genauso. Solange eine Maximale Farbintensität für R, G und B definiert ist, kann danach fast jede Farbe definiert werden (zwischen 0-1, 0-100% oder 0-255). Denken Sie nur an technische Angaben bei Monitoren, wo es ein Qualitätsmerkmal vor allem im professionellen Bereich ist, wie viel und wie akkurat das Panel den sRGB-Farbraum abdeckt. So bildet der RGB-Farbraum auch die Basis für viele Bild-Formate, wie 8bit-TIFF etc.
HEX: Die Abkürzung steht für die „hexadezimale Farbdefinition“ und ist eine von RGB abgeleitete, weiterentwickelte Methode der Farbdarstellung. Ein HEX-Code basiert dabei auf der Kombination von sechs alphanumerischen Zeichen. Jedes Zeichen kann einen Wert zwischen 0 und F repräsentieren, wobei 0 für keine Intensität und F für maximale Intensität steht. Die ersten beiden Zeichen geben den Rotanteil an, die nächsten beiden den Grünanteil und die letzten beiden den Blauanteil der Farbe, also #RRGGBB. Zum Beispiel repräsentiert die hexadezimale Notation #FF0000 die Farbe Rot, da der Rotanteil maximal ist und die Grün- und Blauanteile null sind. HEX-Codes sind vor allem im Web- und Grafikdesign verbreitet, vor allem auch, weil sie leichter zu kopieren sind, als z.B. ein RGB-Farbcode.
RAL: Das RAL-System unterscheidet sich dagegen grundlegen von RGB und HEX und ist vor allem in der klassischen Industrie verbreitet. Vermutlich auch, weil es so einfach ist: Jeder RAL-Farbcode besteht aus einer vierstelligen Nummer, die eine spezifische Farbe darstellt. Das System umfasst dabei etwas über 2.300 Farben, von denen jede eine eindeutig zugeordnete Nummer hat und in einem Farbatlas festgehalten sind. Weil diese Definitionen auf physikalischen Messungen basieren, sind die Farben immer konsistent und exakt, unabhängig von Hersteller und Standort.
Nach diesem kurzen Ausflug ins Technische zur spannenden Frage – womit wir auch wieder konkreten Bezug zu Präsentationen haben: Müssten wir nicht eindeutig sagen können, dass wir zu dem Farbcode #35682d, also 20.78% R, 40.78% G und 17.65% B, ein cooles Verhältnis haben? Und uns ist natürlich allen klar, dass #a52019, also 64.71% R, 12.55% G und 9.8% B eine Signalfarbe für uns ist. Richtig? But now the bummer: Wir haben keine Emotion mit einem dieser Codes verknüpft. Da steht schließlich nicht 13 oder 666, Zahlen die kulturell/historisch/religiös in unserer Gesellschaft geprägt sind. Es ist einfach nur ein Zahlencode.
Sowohl unser fröhliches Ampelgrün als auch unser Signalrot spielt demzufolge als Zahl keinen Tango. Naja, aber ist doch schön zu wissen, dass es sie gibt.
Kommen wir also nochmal zurück zur Farbtheorie und damit zum Farbkreis. Darin finden wir außer schwarz und weiß (und ja, man muss es immer wieder sagen: „das sind keine Farben, sondern Helligkeitsstufen“) alle erdenklichen Farben, Kombinationen und Werte, wie sie mehr oder minder in der Natur vorkommen könnten. Für den digitalen Farbcode spielt das aber natürlich keine Rolle. Die Frage ist, wie wir das Wissen für eine bestimmte Wirkung nutzen und umsetzen.
Im sogenannten „RYB-Modell“ sind die drei Primärfarben, also reines Blau, Gelb und Rot dargestellt.
Sie sind also das Zeug, das nicht durch eine Mischung erzeugt werden kann. In den überschneidenden Flächen liegen dann die Sekundärfarben, die sich jeweils aus den beiden nebenliegenden Primärfarben ergeben. Blau und Gelb z.B. ergibt Grün. Und so sehr ich mich mit dem aufklappbaren Pelikan-Wasserfarbkasten bemüht als Kind bemüht habe, erinnere ich mich vor allem an eins: Wenn ich alle Farben zusammen gemischt habe, kommt immer ein sehr unansehnliches bräunliches Zeug raus (aber NIEMALS Schwarz)!
Natürlich kommt dann noch die Komponente der Helligkeit, also der Leuchtkraft hinzu. Hier wieder belegt durch die schlauen Informationen von Wikipedia (ich bin so froh, dass hier kein Professor mehr drüber schauen muss):
https://de.wikipedia.org/wiki/Hexadezimale_Farbdefinition
Mit all diesen Informationen können wir also mathematisch alle Farben in der physischen und digitalen Welt bestimmen und erkennen.
Holla the woodfairy, wenn ich mir so manche Beiträge im Netz anschaue, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Was es doch alles für Regeln über die Verwendung von Farben gibt. Das sind aber keine praktischen Regeln, so wie „Bier auf Wein, lass das sein und Wein auf Bier, das rat ich Dir“. Es sind zumeist einfach versteckte Farbverbote, Dinge, die man nicht tun darf mit Farben. Warum? „Weil das einfach falsch ist“. AHA
Googelt man „Farben und ihre Bedeutung in Präsentationen“ prägt vor allem eine Aussage das Bild: Möglichst wenig Farben einsetzen. „Bunt wird mit Kindern in Verbindung gebracht“. Je bunter sich die Präsentation zeigt, desto weniger ernst werden die Inhalte genommen. Der Vortragende verliert an Seriosität und Kompetenz, bunte Folien sind verspielt und infantil. Was für eine pauschale Behauptung. Da stellte ich mir intuitiv die Frage, „wie viel kann man mit Farben falsch machen?“ aber here we go, it will be a wild ride:
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- In Präsentationen wirkt Rot wie eine Signalfarbe, die man nicht flächig verwenden darf, denn sehen die Zuschauer in einer Präsentation sprichwörtlich nur noch Rot, werden sie leicht „angriffslustig“. Dem Vortragenden wäre damit nicht geholfen, er präsentiert sich quasi als Angriffsziel. Ui, da möchte ich dagegenhalten, dass es genügend Präsentationen gibt, die könnten komplett rot angestrichen sein und die Zuschauer würden trotzdem weiterschlafen. Hier müssten wir also über sehr viel mehr als eine pauschal bewertete Farbe Rot sprechen.
- In Präsentationen sollst Du schwarze Folien vermeiden. Im folgend verlinkten Beitrag wird das damit begründet, dass schwarz Trauer signalisiert. Verzeihung, aber mehr Klischee ertrage ich nicht mehr. Aus meiner Sicht völliger Khwwatschhh 😉. Aber lesen Sie einfach selbst nach, der Artikel verkauft sich unter „Business Wissen“: https://www.business-wissen.de/artikel/praesentation-die-wirkung-von-farben-in-powerpoint/. Als Gegenbeispiel führe ich hier einmal Mercedes an. Ein Unternehmen, welches Schwarz im Kontrast mit Weiß, Silber und neuerdings auch Blau seit jeher nutzt, um einen eleganten und luxuriösen Eindruck zu vermitteln.
Wir haben jetzt also eine schwarze Präsentation mit grüner Schrift. „Kann man sich nicht lange anschauen, da wird es einem Schlecht? Man kann sich nicht konzentrieren? Das geht so nicht?“. Es wird gerne als absolutes Negativ-Beispiel angeführt. Aber stopp … man will uns also erzählen, dass die Arbeit bei IBM – oder an jedem frühen Rechner – eigentlich Folter war?
Wie viele Menschen haben stundenlang jeden Tag darauf geschaut und sind nicht müde, aggressiv oder blöd geworden, sondern haben bahnbrechende Entwicklungen vollbracht, die unsere Welt nachhaltig verändert haben. Aber 20 Minuten Vortrag auf Schwarzen Folien macht Ihre Zuschauer müde. Wenn ich sowas lese …
Hier will ich bereits stoppen und folgendes festhalten: Einige
Menschen haben sich zur Farbnutzung in Präsentationen sehr, sehr viele Regeln ausgedacht. Für mich ist völlig klar: Regeln sind bekanntlich dafür da, um sie … naaa … genau … 😉.
Nicht zuletzt gibt es auch deshalb eine der besten Erfindungen, seit es Schokolade gibt:
Farbpaletten-Generatoren!
Ob es die sensationelle Instagram-Seite von Colors Cafe oder der Color Picker von Adobe ist, es können alle angeblichen Regeln so einfach gebrochen werden. Die einzige Regel ist: die Dosis macht das Gift. Natürlich können Farbkombis scheiße aussehen und natürlich kann eine Präsentation, die nur Rot, Schwarz und Grau ist und nur mit Schwarz-weiß Bildern versehen ist, leicht an entsprechendes Propaganda-Material erinnern. Aber wenn wir uns einmal von alldem frei machen: Rote Zahlen, Blauer Himmel, Grüne Wiese. Frei von dem Gedanken, dass wir mit Rot zwangsläufig signalisieren, mit schwarz trauern, mit grün die Nachhaltigkeit symbolisieren und orange appetitlich ist. Dann können wir über ganz neue „Regeln“ nachdenken. Be the Rule Maker, not the Rule Breaker!
Sagen wir einmal so: Wenn ich zwei Folien bereits meine negativen Zahlen in blau dargestellt habe, es in meiner Legende auch noch vermerkt habe und meine Hausfarbe als Akzent ein Pink ist, dann ist das Gehirn der Zuschauer nach zwei Folien eingegrooved und schreit dann nicht, „wo sind meine negativen roten Zahlen, warum sind die Blau, ich halte das nicht aus“. Eigentlich ganz einfach.
Verzichten wir also auf die Regeln, die uns ein anderer aufdrücken will… Also, zumindest fast. Denn wie so oft tanze ich gerne frei von allen Regeln durch meine eigene kleine Welt. Ich muss Ihnen natürlich trotzdem sagen: Selbstverständlich wirken Farben. Selbstverständlich haben wir einen angelernten Bezug zu Farben, der sich nicht leugnen lässt. Und dass in verschiedenen Kulturkreisen und Gesellschaften Farben auch unterschiedliche Wirkungen haben können ist ein Grundwissen, das man in der heutigen, sehr internationalen Welt einfach haben muss.
Es streitet wie gesagt niemand ab, dass Farben unser Leben, unsere Stimmung, unsere Gefühle, vielleicht sogar unsere Gesundheit beeinflussen können. Googeln wir nur einmal das Thema „Farbtherapie“, dann ploppen die verrücktesten Dinge auf. Es gibt übrigens mehr Farbexperten als Präsentationsexperten. Zumindest according to google hits.
In der Farbtherapie (Chromotherapie) nutzt man die positive Wirkung der Farben auf den menschlichen Organismus zu Heilungszwecken. Blaues Licht wirkt beruhigend, rotes Licht anregend und wärmend.
Krankenhäuser werden mit Absicht in hellen und „hygienischen“, also reinen Farben eingerichtet, weil es dort sauber wirken soll. Das öffnet die Gefäße und vermittelt psychologisch Weite, Ruhe und Vertrauen. Es wirkt dadurch geistig entspannend – genau das, was wir im Krankenhaus natürlich wollen.
Etablierte Sprichwörter lassen auf bestimmte emotionale Einflüsse schließen „Da sehe ich rot“ oder „Wir sind uns nicht grün“ oder „Ins Blaue hinein“ haben Bedeutungen in der Farbtheorie und -psychologie. Rot steht aber auch für die Liebe. Grün für Nachhaltigkeit usw.
Trotzdem bleibt meine Aussage bestehen. Wir können nicht die ganze Zeit den Menschen erzählen, sie sollen herausstechen und einzigartig sein und ihnen im selben Atemzug davon abraten herauszustechen, weil es die Farben und Konventionen nicht erlauben. Das ergibt keinen Sinn. Wie gesagt, Regeln sind (auch) dazu da, sie gezielt zu brechen. Man muss nur das Ziel kennen. Es gibt z.B. super stylische schwarze Präsentationen, weil sie mit einem gewissen Maß an Design-Erfahrung erstellt wurden. Komposition, Schrift, Bildaufteilung, Grafik, Message … all das hat eine genauso große Wirkung. Genau wie bestimmte Laufsteg-Kleidung: das kann nicht jeder tragen und es ist nicht überall der richtige Platz für Extravaganzen. Wenn es aber passt, ist die Wirkung unvergleichlich und unvergesslich.
Ich finde es jedenfalls wichtig, unseren Kunden folgendes mit auf den Weg zu geben: Farbtheorie und -psychologie sind hochspannende, sehr umfangreiche Felder. Ebenso interessant sind die Trends, kulturelle, und gesellschaftliche Assoziationen, aber wenn Sie präsentieren und Sie haben einen Style gewählt, der intuitiv zu Ihnen passt, dann lassen Sie sich bitte nicht durch all diese Regeln und Tipps verunsichern.
*Disclaimer: Dieser Beitrag berücksichtigt leider keine Menschen mit Rot-Grün Schwäche oder anderen optischen Einschränkungen
Fragen Sie einen Design-Profi, dazu sind wir da. Wir helfen Ihnen Ihre eigenen
(Farb-) Regeln zu definieren, damit umzugehen, und sie gezielt einzusetzen.
Mutig sein lohnt sich! Immer.
Kontaktieren Sie uns jederzeit. Wir freuen uns von Ihnen zu hören.